Terry Richardson – Sisley-Reklame 2002

Terry Richardson fotografiert eine betende Eva. In dieser vermeintlich harmlosen Formel verbirgt sich ein nicht ganz so unschuldiger Akt ironischer Selbstbezüglichkeit, markiert durch den Künstlernamen. Denn wirft man einen Blick in das Werk des Fotografen, wird man bald einsehen; Frömmigkeit und Unschuld sind dort, wo man auch hinsieht, keine gängigen Themen.

Zur Fotografie: Richardson nimmt die in Öl gemalte Eva – die sich mit Adam, die dem lapsus hominis vorgelagerte und noch schuldlose Nacktheit als ikonographisches Charakteristikum schlechthin teilt – von der Taille bis zum Scheitel auf. Er porträtiert sie als Bruststück, mit dem Gesicht leicht ins Profil gedreht und dem Blick andächtig nach oben richtend. Ins Zentrum sind ihre Brust und die gefalteten Hände gerückt. Genau dort wird das fotographische Blitzlicht durch die Ölfarben des alten Gemäldes reflektiert, auf die Kamera zurückgeworfen und durch sie aufgenommen. Der erhellende Funke des Aufzeichnungsmediums schreibt sich in die Reproduktion als weiße Sphäre ein und verdeckt dort den gemalten Busen der Eva. Fast perfekt korreliert dabei die gemalte Lichtsituation mit der bloß oberflächlichen Reflexion, beides fügt sich plausibel in eins.

Nacktheit ist auch ein wiederkehrendes Motiv in Terry Richardsons Arbeiten, doch die Bedeutung hat sich indes verschoben. Liegt diese im sakralen Ölgemälde in der Visualisierung von Reinheit und Unschuld, tritt sie bei Richardson als genaues Gegenteil auf. Seine Protagonisten der Nacktheit verkörpern etwas Sündiges. Die Freilegung wird indes durch die stete Anwesenheit und Zurückweisung von Kleidung als gerade sich vollziehende Überschreitung markiert; genügend Stoff wäre also da gewesen, doch vor Richardsons Kamera musste er weichen.

Das Blitzlicht, das wahrnehmbare fiat lux der voyeuristischen Kamera Richardsons, die aufleuchtende Geste der Sichtbarmachung des eigentlich Unsichtbaren, ist es, welchem nun die biblische Stammmutter ausgesetzt wird und das mit paradoxem Resultat. Denn eigentlich Sichtbares wird ad absurdum von der Oberfläche und aus dem Bild getilgt; nunmehr ist Eva in fotografisches Licht gekleidet. Richardsons Kamera, vor welcher sonst die Hüllen erst fallen, negiert sich selbst. Sie kann nicht, wie so oft, Agens und gleichzeitig Zeuge einer Enthüllung werden, sie verhüllt stattdessen und verweist durch das fotografische Bild auf sich selbst als Grund jener Verdeckung. Ist darin aber ein Ausdruck der Frömmigkeit Terry Richardsons, ein Gefallen a posteriori zu lesen? Eher nicht, denn folgt man der gängigen biblischen Exegese, ist es die Sünde, welche Scham und den Wunsch nach Verhüllung erst bedingt – „Gott, der Herr, machte dem Menschen und seiner Frau Gewänder von Fell und bekleidete sie damit“ (Genesis 3:21). Wenn Terry Richardson Eva hier fotografisch verhüllt, ihr die Requisite des schuldig gewordenen Menschen anlegt, und also das Dilemma und die Folgen des Sündenfalls erfüllt, dann wird er gleichsam zum vollstreckenden Verbündeten des folgenschweren Frevels. Durch seine fotografische Exekutive erzählt er den Initiationsmythos zu Ende und realisiert gleichermaßen die theologische Ermöglichungsgrundlage seines sündigen Schaffens; nämlich wieder zu entkleiden, zu enthüllen und den Leib freizugeben.