René Magritte – Die glückliche Hand

Ein schwarzer Lackflügel dominiert das Gemälde. Die Klaviatur dem Betrachter zugedreht, fluchtet der Klangkörper nach rechts in den Bildraum. Dieser ist sehr einfach gehalten und besteht gleichanteilig aus einer samtig ruhenden Bodenfläche, aus schwerem, braunrotem Stoff, und einem himmelblauen Vorhang, dessen Vertikalität noch durch die rhythmisch fallenden Falten betont wird – Schwerkraft also existiert. Die zweigeteilte Struktur der Bildfläche und die am Schattenwurf verortbare Lichtquelle – beides nicht unüblich bei Magritte – bilden die Basis eines kohärent sich darbietenden und den physikalischen Gesetzen gehorchenden Bildraums, der aber gleichzeitig die Bühne eines außerordentlichen Anblicks bildet. Denn bis hierhin nichts Ungewöhnliches, wäre da nicht ein Ring, welcher sich um die Taille des Musikinstrumentes windet. Leicht in den Raum gedreht erscheint dieser als stehendes Oval, dessen unteres linkes Viertel perspektivisch ganz korrekt durch den Klangkörper verdeckt wird. An dieser Leerstelle spiegelt sich auf dem lackschwarzen Hinterdeckel die Innenseite des oberen linken Ringviertels. An die Stelle des Schmuckstückes, die folglich nur weitergedacht werden kann, tritt nun ein Spiegelbild, welches links an der Kante des Instruments noch bündig anschließt, im weiteren Verlauf dann aber ins Leere läuft und das geschlossene Rund scheinbar aufbricht.

Der verzerrte und gebrochene Ring, welcher indes aus einer ganz gültigen perspektivischen Darstellungsweise resultiert, erinnert formal nun an etwas Anderes; nämlich an einen Bassschlüssel. Damit wird die Darstellung quasi zu einem Hybrid, einer Kippfigur, deren zwei Gestalten gleichermaßen mit dem Flügel in einen Zusammenhang gebracht sind. Einerseits das Schmuckstück, vielleicht der Verlobungs- oder Trauring einer alsbald >glücklichen Hand<, dessen Wesen es ist, gemäß seiner Öffnung getragen zu werden. Diese ontologische Zweckmäßigkeit erfüllt der Flügel, über dessen Korpus das Schmuckstück geschoben ist, wenn auch im Modus eines veristischen Traumbildes. Andererseits der Bassschlüssel, welcher, als Satzzeichen musikalischer Notationen, die Musik versinnbildlicht, die wiederum durch das Instrument mit seiner geöffneten Klaviatur als symbolische Repräsentation vertreten wird.

Zwischen beiden Möglichkeiten, Ring einerseits und Bassschlüssel andererseits, gibt es ein verbindendes Element. So gebot der antike Mythos, das runde Symbol der Liebe (ob Verlobungs- oder Ehering) gemäß der Anatomie der Vena amoris am vierten Finger der linken Hand zu tragen. In Analogie dazu sind in Notensystemen für Tasteninstrumenten die tiefen Töne im Bassschlüssel notiert und entsprechen auf einer Klaviatur jenen, die mit der linken Hand gespielt werden. Wahrscheinlich ist die >glückliche Hand< also die linke.